Mali
Am nächsten Morgen (Freitag, 19.10.) wollen wir im Morgengrauen die Grenze zwischen dem Senegal und Mali überqueren – um die 710 Kilometer bis Bamako in der vorgesehenen Fahrzeit von 13 Stunden (also knapp bis Einbruch der Dunkelheit) zu schaffen.
Denkste! Angekommen am senegalesischen Zoll – Teepause. Die Grenze öffnet erst um 8 Uhr. Also Frühstück an der Grenze. Die junge Zollbeamtin kennt das Carnet de passage noch nicht. Wir warten auf den Vorgesetzten, der schließlich Anweisungen gibt… Eine halbe Stunde später fahren wir mit allen Stempeln und Unterschriften der senegalesischen Seite versehen über die Brücke nach Mali.
Dort angekommen erste Zollformalitäten direkt an der Grenze, etwa einen Kilometer später Einfahrt in das Gelände des Zollbüros, Schranken zu. Warten. Einige Herren in verschiedenen Uniformen der Zollbehörde, Polizei und anderer Einheiten sitzen gemütlich im Hof zusammen und frühstücken Brot und Fleisch. Als ich vorsichtig nachfrage, wann etwa das Zollbüro aufmacht, meint ein hinzugekommener Beamter schmunzelnd, dass ich spätestens bis 18 Uhr durch bin (da machen die nämlich wieder dicht). Um 9 Uhr kommt (dem Salutieren nach) ein oberer Beamter. Wir warten. Endlich bittet man mich in eines der Büros. Ein Herr, dem ich vorher beim genüsslichen Frühstück zugeschaut habe, sitzt jetzt hinter einem großen Schreibtisch und lässt mich diverse Unterlagen, wie Pass, Zulassungsschein, Führerschein (muss wirklich irgendwann den alten rosa Schein in eine Karte tauschen!) auf den Weiten dieses Tisches ausbreiten… Carnet. Was ist das? Da steht ja nicht einmal Mali drauf. Nein, nein. Hier gibt es das „Laissez passer“ („Lasst sie durchfahren“), das schließlich bei jeder Polizeikontrolle hergezeigt werden muss. Vom Zoll zur Polizei, wieder retour zum Zoll… Kommt mir irgendwie bekannt vor. Kurz nach 10 Uhr können wir auch das Mali-Zollgelände mit einem „Bon voyage“ (gute Reise) vom Zollbeamten verlassen. Bis Bamako geht es sich also nicht mehr aus. Wir werden sehen. Vorerst gestaltet sich der Zustand der Straße ziemlich brauchbar – für zügiges Fahren. Es werden zwar keine 700 km werden, aber hoffentlich ein guter Teil der Strecke.
Am Nachmittag kommen wir in Diema an. Zwischen hier und Bamako angeblich etwa 150 Kilometer schlechte Straße. Wie ein Einheimischer meint – „nicht schlecht – viel schlechter, sogar sehr schlecht!“ Um nicht bei Einbruch der Dunkelheit genau auf dieser „sehr schlechten Straße“ unterwegs zu sein, beschließen wir, in Diema zu bleiben und bei Tagesanbruch die sehr schlechte Straße in Angriff zu nehmen. Wir finden sogar ein Hotel, wo wir das Auto in den Innenhof stellen dürfen. Wurde uns für Mali mehrfach nahegelegt. Auf der Straße vor dem Hotel (Standard .. na ja, zumindest ein Dach über dem Kopf) werden ein paar Sessel aufgestellt und wir zum Tee eingeladen. Eine Frau erzählt mir, dass sie Ärztin aus Bamako ist und hier an einem von Kanada gesponserten Projekt arbeitet. Frauen sollen sensibilisiert werden, dass sie jederzeit in ein Krankenhaus kommen können, wenn sie ärztliche Hilfe brauchen, besonders auch zur Geburt, da in Mali ein großer Teil der Frauen beschnitten ist und das oftmals bei der Geburt eines Kindes tragische Folgen haben kann … bis hin zum Tod der Mutter oder des Kindes. Traditionellerweise – vor allem in den Dörfern – ist es hier so, dass Frauen ohne die Begleitung oder die Erlaubnis ihres Mannes nicht in ein Spital kommen können, auch wenn der Mann vielleicht wochen- oder monatelang irgendwo unterwegs ist und die Frau daheim schwer erkrankt. Das geht so weit, dass der Mann den Krankenhausaufenthalt verweigern und damit zulassen kann, dass die Frau daheim ohne ärztliche Versorgung stirbt. Mit diesem kanadischen Projekt soll den Frauen vermittelt werden, dass sie hinsichtlich der medizinischen Versorgung völlig gleichberechtigt sind und jederzeit völlig unabhängig von ihrem Mann in ein Krankenhaus kommen.
Wind kommt auf, leichter Sturm, Blitze zucken über den Himmel, Regen. Noch ist Regenzeit und alles grün im Land. Bald werden sich die grünen Landstriche wieder in Ocker und braun umfärben.
Am Samstag Morgen fahren wir weiter in Richtung Bamako. In Erwartung, dass hier demnächst wieder Schlaglöcher auftauchen, fahre ich vorerst sehr verhalten (auch in der Karte ist dieser Abschnitt als weniger gute Straße eingezeichnet). Dieser Abschnitt scheint allerdings sehr neu und gut ausgebaut und wir kommen zügig voran (Anm. Es gibt angeblich eine „sehr gut ausgebaute“ Straße weiter im Süden – auch mit anderem Grenzübergang – die in meiner aktuellen Westafrika-Karte gar nicht eingezeichnet ist! Vielleicht beim nächsten Mal auszuprobieren)
… bis die alt bekannten Löcher, Erhebungen (z.T. wurden die Löcher mit groben, kantigen Steinen gefüllt, sodass nun Steinhügel auf der Straße sind), Rinnen etc. wieder auftauchen. Viele Kilometer lang … quer über das ganze befahrbare Gebiet. So schaukeln wir manchmal im Schritttempo durch die Landschaft. Wenn wir es früh genug erkennen, nehmen wir für ein paar Kilometer eine Nebenpiste, die meist weniger – aber dafür tiefere – Löcher aufweist.
Schließlich kommen wir in Bamako, der Hauptstadt Malis an, finden sogar das Hotel, in dem schon Zimmer für uns reserviert sind. Am Abend treffe ich hier Monsieur Brehima, der in Mali der Chef des CIAF ist. Er erzählt mir kurz (da er zeitig am nächsten Morgen den Flug nach Ouaga zur Konferenz nehmen wird) ein wenig über die Situation der FGM (female genital mutilation; weibliche Genitalverstümmelung) in Mali. Hier gibt es noch KEIN Gesetz gegen diese Praktik, daher ist die Rate der beschnittenen Frauen und Mädchen hier noch sehr hoch! Aber, wie ich von Brehima erfahre, gibt es auch hier bereits viele (bis hinauf in die Regierungsebenen), die für die Beendigung eintreten.